Bequem sind weite Reisebusfahrten nach Auswärtsspielen für Spitzensportklubs nie. Zumal für Volleyballer, die üblicherweise noch längere Körper haben als der Durchschnittsbürger. Das hatte Thomas Ranner, der Trainer der WWK Volleys Herrsching, bereits am Samstagabend noch weit vor der Rückreise an den Ammersee am Dyn-Mikrofon betont: „Eine Fahrt nach Hause im Bus, wo du eigentlich regenerieren willst, ist nicht der Traum eines jeden Trainingswissenschaftlers.“
Um 5.30 Uhr kamen sie am Sonntagmorgen zurück, und sie waren mächtig frustriert. Denn die Herrschinger hatten im ersten Playoff-Viertelfinal-Spiel bei den Helios Grizzlys Giesen trotz einer 2:0-Satzführung eine ganz bittere 2:3 (25:18, 25:18, 16:25, 19:25, 11:25)-Niederlage hinnehmen müssen – und noch dazu Jannes Wiesner und Daniel Gruvaeus, zwei ihrer drei wichtigsten Außenangreifer also, im vierten Satz kurz nacheinander wegen Verletzungen verloren.
Die Oberbayern stehen nun in der Best-of-three-Serie mit dem Rücken zur Wand. Nicht nur das Heimspiel am Mittwoch (20 Uhr, BMW Park) müssen sie gegen Giesen gewinnen, um zum ersten Mal überhaupt ins Playoff-Halbfinale einzuziehen, sondern auch ein mögliches Entscheidungsspiel am 1. April, das immerhin erneut in München ausgetragen werden würde. „Wenn ein Team es in dieser Saison gezeigt hat, in solchen Situationen zurückzukommen, dann sind wir das“, sagte Ranner im Hinblick auf das Verletzungspech.
Wiesner hatte sich im vierten Satz am Daumen seiner rechten Schlaghand wehgetan, er hielt sich seine Hand auch, als er beim 8:11 den Ball von Giesens Angreifer Ethan Champlin auf die Finger im Block bekam. Als es 8:12 stand, gab er Ranner ein Zeichen, dass er ausgewechselt werden muss. Gruvaeus kam für ihn aufs Feld, der eigentlich wegen muskulärer Probleme geschont werden sollte. Beim 15:18 hechtete Gruvaeus dann nach vorne, um einen Netzroller-Aufschlag Giesens zu erreichen, und landete unsanft auf dem Brustkorb. Auch Gruvaeus musste danach mit schmerzverzerrtem Gesicht ausgewechselt werden, was bedeutete, dass der offensichtlich am Daumen verletzte Wiesner wieder aufs Feld musste – adäquate Alternativen auf der Bank gab es nicht.
Auch die wohl beste Saisonleistung von Herrschings Außenangreifer Víctor Rodríguez Pérez hilft nichts
So nahm das Drama seinen Lauf: Giesen gewann den vierten Satz und deckte Wiesner, der eigentlich nicht spielfähig war, mit Aufschlägen ein. Fünf direkte Annahmefehler häufte der 21-Jährige, der bis zu seiner Blessur ein gutes Spiel gemacht hatte, fast zwangsläufig an. Und Giesen gewann den Tiebreak und das schon fast verloren geglaubte Spiel. Da half auch die wohl beste Saisonleistung von Herrschings Außenangreifer Víctor Rodríguez Pérez nichts. Der Spanier erzielte 24 Punkte und war damit zweitbester Scorer hinter Giesens unzähmbaren Diagonalspieler Michiel Ahyi (29 Punkte).
Bei Wiesner sei übrigens „nichts gebrochen“ sagte Herrschings Trainer Ranner am Sonntag nach Sichtung der ärztlichen Diagnose, Bänder und Kapsel dürften aber angesichts der Schwellung in Mitleidenschaft gezogen sein. „Es wird unglaublich schmerzhaft für ihn, wenn er am Mittwoch spielen muss“, prophezeite Ranner. Immerhin: Eine nächtliche Busfahrt bleibt Wiesner dann erspart.