Als Jüdin sichtbar zu sein, habe ich immer als wichtigen Teil meiner politischen und aktivistischen Arbeit empfunden. Es war etwas, das mich stolz gemacht hat: als Jüdin unübersehbar zu sein und auf diese Weise jüdische Anliegen in den Fokus zu rücken.
Entsprechend gefreut hat es mich, als ich im November 2021 in ganz Berlin auf Plakatwänden und Litfaßsäulen zu sehen war. Die Kampagne zur lesbischen Sichtbarkeit der LADS (Landesantidiskriminierungsstelle) zeigte sechs lesbische Akteur*innen in Berlin. Und eine davon war ich.

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Selbstbewusster Blick in die Kamera und goldener Stern um den Hals. Aber viel hat sich seitdem geändert. Die Plakate waren diesen März im Rahmen einer Ausstellung in der Helene-Nathan-Bibliothek in Neukölln zu sehen.
Und obwohl ich mich darüber auch irgendwie gefreut habe, war es vor allem ein unbestreitbares Unbehagen, das mich mit der Ankündigung der Ausstellung ergriffen hat. Denn was schon immer riskant war – als Jüdin sichtbar zu sein –, scheint jetzt wie ein Spiel mit dem Feuer.
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Der 7. Oktober 2023 war eine Zäsur für die meisten Jüd*innen und so eben auch für mich. Hatte ich vorher Diskussionen mit meiner (ebenfalls jüdischen) Partnerin, dass ich nicht bereit bin, meinen Davidstern zu verstecken, greife ich seit eineinhalb Jahren auf der Straße permanent erschrocken an mein Brustbein, um sicherzugehen, dass der kleine goldene Stern unter meinem T-Shirt, Pullover oder Schal nicht zu sehen ist.
Ein Plakat, das 2021 für mich noch jüdisches Selbstbewusstsein repräsentiert hat, fühlt sich jetzt wie eine Bedrohung an. Denn mit selbstbewusstem Blick und goldenem Stern auf einem Plakat zu prangen, ist inzwischen mehr denn je eine einladende Projektionsfläche.
Jüdische Existenz wurde schon immer als Provokation empfunden, aber jetzt ist unsere reine Existenz für viele das Äquivalent einer Kriegserklärung. Ich finde jüdische Sichtbarkeit nach wie vor extrem wichtig. Aber gleichzeitig ist der Preis dafür mittlerweile beängstigend hoch. Vielleicht zu hoch …