Auch hinterher stand die Abwehr des FC Augsburg stabil, ganz egal, wie sie gelockt wurde. Alle Versuche, vollmundige Ansagen zum Europapokal zu provozieren, liefen ähnlich ins Leere wie bereits seit Wochen die Angriffe der Gegner auf dem Platz.
Dabei weist die Bundesligatabelle nach dem 1:0 (0:0) gegen den VfL Wolfsburg für den FCA nur noch vier Punkte Rückstand auf die internationalen Ränge aus. Womöglich genügt für Reisen über den Kontinent via Conference League sogar, die Saison auf dem siebten Platz abzuschließen, von dem die Augsburger nur noch zwei Zähler entfernt sind. Das wäre der Fall, wenn Leverkusen, Leipzig oder Stuttgart sich über die Bundesliga für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren und zugleich den DFB-Pokal gewinnen sollte. Also, liebe Augsburger, wie wär’s mit etwas Euphorie? „Es tut gut, wenn man hochklettert“, sagte Torschütze Phillip Tietz, „aber über Europa oder sonstige Dinge reden wir nicht.“
Es wirkt ein bisschen, als schleiche der FCA gerade auf Zehenspitzen gen Europacup. Das geschieht so leise, dass die Augsburger es selbst kaum bemerken. Zumindest wollen sie es nicht zugeben. Das höchste der Gefühle war schon Jess Thorups freudige Bestandsaufnahme. „Es ist Wahnsinn, was im Moment passiert in Augsburg“, sagte der Trainer strahlend nach dem Vereinsrekord von nun zehn Bundesligaspielen in Serie ohne Niederlage. Forsche Zielsetzungen leitet der meist sachliche Däne daraus aber nicht ab. Er hält es wie Marinko Jurendic. „Wir können uns nichts kaufen, wenn wir zu weit denken. Wir sind der FC Augsburg, wir müssen und wollen auf dem Boden bleiben“, sagte der Sportdirektor. Er finde es „fantastisch, dass man Europa mit Augsburg verbindet“, und man sei auch ambitioniert, zumal die Versetzung in die Bundesliga-Saison 2025/26 nicht mehr gefährdet ist. Doch er wolle keine Ziele herausposaunen, sagte Jurendic: „Es bringt ja nichts, Luftschlösser zu bauen.“
Die Augsburger Vorsicht liegt auch an einem gesunden Realismus. Sie wissen, dass sie ihre Erfolgsserie einem fast maximalen Minimalismus zu verdanken haben. Drei ihrer vergangenen sechs Spiele endeten 0:0, die jüngsten beiden mit 1:0-Siegen. Als Ausreißer steht nur der 3:0-Erfolg in Mönchengladbach in der jüngeren Bilanz, als die Borussia mehr als eine Stunde lang zu zehnt spielte. Gegen Wolfsburg dämmerte das dritte torlose Heimremis nacheinander herauf, ehe Tietz nach einem weiten Pass des VfL-Leihspielers Cedric Zesiger zum Sieg einschob (53.). „Wir können im Spiel nach vorne definitiv zulegen“, sagte Jurendic.
Es hat auch mit den Erfahrungen aus der vergangenen Saison zu tun, dass sie beim FCA betont zurückhaltend sind. Im Frühjahr 2024 lagen sie vor den letzten fünf Spielen sehr aussichtsreich im Rennen um Europa. Doch dann verloren sie alle restlichen Partien. Nun wollen sie lieber heimlich, still und weise im Moment leben, um ihren Lauf der vergangenen Wochen möglichst auch nach der Länderspielpause gegen die TSG Hoffenheim fortzusetzen.
In der Tabelle der Rückrunde stehen die Augsburger auf Platz zwei hinter dem FC Bayern
Als einzige Mannschaft der Bundesliga sind die Augsburger in der Rückrunde ungeschlagen, sie stehen in der Tabelle der zweiten Saisonhälfte mit fünf Siegen und vier Unentschieden auf Platz zwei hinter dem FC Bayern. In den bisher neun Ligaspielen der Rückrunde mussten die Augsburger gerade einmal zwei Gegentore hinnehmen (FC Bayern: elf) und im Jahr 2025 nur deren drei. Damit verfügen sie statistisch über die beste Abwehr in Europas Top-5-Ligen. Torwart Finn Dahmen steht mittlerweile bei 613 Minuten ohne Gegentor, natürlich Vereinsrekord.
Ständig müssen sie beim FCA gerade neue Bestmarken in die Klubchronik einpflegen, darunter Jeffrey Gouweleeuws 250. Bundesligaspiel. Das hat sich sogar bis nach Europa herumgesprochen, zumindest bis in die benachbarten Niederlande, die Heimat des FCA-Kapitäns. „Ich habe das mitbekommen. Da ist ja nicht so oft etwas in den Medien in Holland über mich, aber diese Woche schon“, sagte der 33-Jährige. Er ist nun der Niederländer mit den meisten Bundesligaspielen, vor dem ehemaligen Duisburger und Schalker Heinz van Haaren sowie einigen berühmten Kollegen der jüngeren Vergangenheit wie Arjen Robben.
Zumindest der Angreifer Tietz dachte nach dem Ende seiner dreimonatigen Torflaute doch kurz an eine Reise nach Europa. „Ich bin noch am Überlegen, ob wir irgendwo hinfahren, nach Österreich“, sagte er. Dabei ging es aber nur um einen Ausflug mit der Familie während der kommenden freien Tage in der Bundesliga-Pause. Und vielleicht, sagte Tietz, bleibe er auch zu Hause, um sich um das neue Kinderzimmer zu kümmern. Im Juli soll der Nachwuchs kommen. Es läuft beim FCA auf allen Ebenen.