Das Max-Morlock-Stadion gehört zu den fünf Arenen in den ersten beiden Ligen, in denen noch eine Laufbahn liegt. Dementsprechend schwer ist es dort, eine ähnliche Stimmung wie auf Schalke oder in Kaiserslautern zu erzeugen. Am Sonntag, beim überzeugenden 3:0-Sieg gegen Fürth, kletterten die Dezibel dennoch mehrfach in beträchtliche Höhen. Erstmals natürlich, nachdem der Doppeltorschütze Julian Justvan nach einer schönen Kombination über Caspar Jander und Stefanos Tzimas das frühe 1:0 geschossen hatte (4.). Zuvor hatten die FCN-Fans mit einer aufwendigen Choreographie aus 20 000 Ponchos ein Frankenderby eingeläutet, das für die SpVgg Greuther Fürth wie bereits das klar verlorene Hinspiel traumatisierend werden sollte.
In der 14. Minute verweigerte Schiedsrichter Tobias Reichel den Fürthern nach einem Zweikampf zwischen Jander und Branimir Hrgota einen Elfmeter. Menschen, die es mit der Spielvereinigung halten und der Meinung sind, dass Fürths Angreifer aufgrund einiger Schwalben mittlerweile einen einschlägigen Malus bei den Schiedsrichtern haben, durften sich bestätigt fühlen. Die Entscheidung passte aber zur Linie des guten Referees, der mit seiner großzügigen, aber gerechten Regelauslegung Spielfluss und damit Derbyatmosphäre ermöglichte. Zur Halbzeit führte der Club dann bereits mit 3:0. Nachdem Tzimas (34.) und Justvan (35.) gute Chancen vergeben hatten, machte erneut Justvan nach tollem Zuspiel von Tim Drexler 90 Prozent des Stadions glücklich (39). Kurz vor der Halbzeit traf Tzimas dann nach perfektem Außenristpass von Jander zum 3:0 (45.+3), dementsprechend ausgelassen gingen die rund 43 000 FCN-Fans unter den 47 300 Zuschauern im ausverkauften Stadion in die Pause.
Es sind besondere Zeiten in Nürnberg, wo am Dienstag die Eröffnungsveranstaltung zum 125-jährigen Vereinsjubiläum ansteht, das ausgiebig gefeiert werden soll. Der Eindruck, dass beim Club gerade auch sportlich etwas Vielversprechendes entsteht, bestätigte sich am Sonntag vollauf. Und das manchmal sogar im vergleichsweise langweiligen zweiten Durchgang, in dem Fürth nicht noch mehr Gegentore kassieren wollte als im Hinspiel. Die Derbybilanz dieser Spielzeit fällt schließlich mit 0:7 Toren deprimierend genug aus.
„Heute hatten wir kein Tor verdient“, sagte Fürths Sportdirektor Stephan Fürstner, der „nichts schönreden“ wollte und das konsequenterweise auch unterließ. „Wir waren langsam im Kopf und inkonsequent in den Zweikämpfen. Es war zu einfach, in unser letztes Drittel zu kommen.“ Ähnlich konsterniert war Trainer Jan Siewert: „Dass der Rückschlag ausgerechnet heute kommt, tut mir total leid für alle, die es mit dem Kleeblatt halten.“
Dabei war es in den vergangenen Jahren ja meist Fürth gewesen, das in den Derbys für eine fußballerische Identität als spielstarkes Team stand. Und auch bei diesem erschreckend schwachen Auftritt in Nürnberg war der Gast 20, 25 Minuten lang nicht einmal die schlechtere Mannschaft. Zwingendes entstand aber zu keinem Zeitpunkt. Dazu war das eigene Passspiel zu schlampig und die Nürnberger Entschlossenheit in der eigenen Hälfte zu konsequent.
Auch der zurückhaltende Trainer Klose freut sich über die „Ausgangslage vor den Spielen gegen die Klubs, die über uns stehen“
Überhaupt scheint der Club die fußballerische Identitätskrise der vergangenen Jahre gerade nachhaltig zu überwinden. Nach diversen Trainer- und Konzeptwechseln können sich die Spieler spätestens seit 2023 auf ein paar Konstanten des Fußballspiels verlassen. Der Übergang von Cristian Fiél, der auf Ballbesitzfußball gesetzt hatte, zum jetzigen Coach Miroslav Klose war von der Grundausrichtung ein sanfter. Nur dass unter Klose mittlerweile die Dinge gelingen, die zuvor nicht ausbalanciert waren. Schon in der Hinrunde erspielte sich Nürnberg mehr Chancen als in der Vorsaison, jetzt fallen auch die Tore. Und siehe da: Mit 41 Punkten liegen die Franken nur noch vier hinter dem Aufstiegs-Relegationsrang.
Auch der zurückhaltende Klose freute sich nach dem Spiel deshalb über die „Ausgangslage vor den Spielen gegen die Klubs, die über uns stehen“, und hat emotional offenbar einiges aus den beiden Derby gezogen: „Ich habe die Bilder aus dem Hinspiel lange nicht wegbekommen und werde die Bilder heute auch lange nicht aus dem Kopf bekommen.“ Dass kollektive Glücksgefühle erstaunliche Auswirkungen auf das Temperaturempfinden haben, bewiesen dann die Clubfans: Rund 4000 von ihnen verbrachten den zweiten Durchgang mit entblößtem Oberkörper.