Die Reaktionen liegen zwischen „überrascht“ und „geschockt“: Die meisten Beobachter hatten in diesem Regionalliga-Rechtsstreit damit gerechnet, dass Schwaben Augsburg als Verlierer vom Grünen Tisch geht. Doch das zweite Urteil zum mehrmaligen Regelverstoß des Aufsteigers widerspricht dem ersten Urteil nun fast komplett – und so sollen die Schwabenritter ihre insgesamt zwölf Punkte, die zunächst abgezogen wurden, behalten dürfen. Dass die Mannschaft über Wochen gegen die bestehende U23-Regelung verstoßen hat, steht außer Frage. Doch das Verbands-Sportgericht hält in seinem Urteil nunmehr eine Geldstrafe von 200 Euro pro Vergehen für angemessen. In der Begründung heißt es, eine Umwertung des Spiels sei gar nicht möglich. Diese sei nämlich ausschließlich bei den „Verstößen Spielabbruch, Spielausfall und Nichtantritt“ zu verhängen. Eines der vier Urteile liegt der SZ vor.
Den SV Wacker Burghausen träfe dieses Urteil am wenigsten hart, der Traditionsklub ist weder in den Abstiegs- noch in den Aufstiegskampf involviert. Doch selbst hier ist die Empörung groß: „Wir sind schon auch ein bisschen enttäuscht“, sagt Geschäftsführer Andreas Huber, „am Ende geht es um die Ausbildung für den deutschen Fußball, wir dachten, das sei ein höheres Gut.“ Aber mit dem nun gefällten Urteil sei es fast schon unbedeutend, ob man die U23-Regelung einhält: In jedem Kader müssen vier Spieler unter 23 stehen, die für die deutsche Nationalmannschaft spielberechtigt sind und gefördert werden sollen. Gefühlt sei man jetzt sogar benachteiligt, wenn man sie einhält, sagt Huber, denn so lasse man regelmäßig „Regionalliga-Erfahrung auf der Bank sitzen“. Wacker werde weitere rechtliche Schritte prüfen. Das geben, wenig überraschend, alle vier Vereine an. Man wollte sich auch beraten, ob man gemeinsam einen Anwalt engagiere, um dann das Schiedsgericht anzurufen, das am Oberlandesgericht Nürnberg angesiedelt ist. Dieser Schritt ist sehr wahrscheinlich.
Die Strafe ist nicht abschreckend, sagt Taskin Akkay vom betroffenen Tabellenletzten Türkgücü München
Unverständnis herrscht auch beim Tabellenletzten Türkgücü München. „Die Strafe muss abschreckend sein, diese Geldstrafe ist nicht abschreckend“, sagt Präsident Taskin Akkay. Auch beim FC Schweinfurt finden sie: „Recht darf keine Frage des Geldbeutels sein“, so Co-Trainer Gregor Opfermann, der promovierter Jurist ist. Bei den Schnüdeln sind sie besonders motiviert, sich weiter für das Urteil aus dem vergangenen Dezember einzusetzen – nicht nur wegen der drei Punkte, um die es für den Tabellenführer geht. Im September 2018 hatte Schweinfurt ein Pokalspiel gegen die Würzburger wegen derselben Regelung am Grünen Tisch verloren.
An dieser Stelle widerspricht sich auch das neueste Urteil, denn dort heißt es, bei solchem Vergehen sei eine Spielumwertung noch nie angewandt worden – dabei ist das sogar bei einem der beteiligten Vereine der Fall. In Schweinfurt stößt dabei besonders auf, dass die Kanzlei, die jetzt Schwaben Augsburg vertritt, damals die andere Seite vertreten und genau andersherum argumentiert hatte. Die Kanzlei Schickhardt hatte in ihrem Einspruch für die Augsburger auch darauf gepocht, dass die U23-Regel möglicherweise gegen Europarecht verstoße, weil EU-Ausländer durch sie diskriminiert werden; das Urteil geht auffällig ausführlich auf diese Frage ein, um dann zu schließen, das Verbandsgericht könne diese Frage nicht abschließend klären.
Das beschreibt auch das Gesamtproblem relativ gut: Beide Seiten räumen ein, dass jeweils die andere Argumentation an sich schlüssig sei – ganz einfach deshalb, weil die Statuten in diesem Fall sehr viel Spielraum lassen. Andreas Huber von Wacker Burghausen ist zugleich der aktuelle Regionalliga-Sprecher, und in dieser Funktion wolle er den Fall dazu nutzen, Klarheit in der zukünftigen Rechtsprechung zu haben. Das Problem ähnelt jenem rund um den Videobeweis im Profifußball: Die Absicht ist eigentlich klar. Viel Ärger gibt es vorwiegend deshalb, weil eine klare Linie in der Handhabung fehlt. Was das neueste Urteil eindrücklich bewiesen hat. Wie lange der Rechtsstreit nun noch dauern wird, ist nicht abzusehen, auch wenn der BFV davon ausgeht, dass das Schiedsgericht die letztmögliche Instanz darstellt.