Wenn ein Löwe am späten Samstagnachmittag auf die Bank des Gegners geblickt hätte, dürften sich mehr und weniger gute Erinnerungen eingestellt haben. Hachings Präsident Manfred Schwabl stand da, er ist ein einstiger Sechzig-Spieler, Co-Trainer Sven Bender war eines der größten Löwentalente, die es bisher gab. Und Hachings Trainer Heiko Herrlich war als Coach von Jahn Regensburg am historischen 30. Mai 2017 dabei, als die Sechziger ihr bislang letztes Spiel in der Allianz Arena abhielten und die letzten zehn Spielminuten aufgrund von Tumulten der Sechzig-Fans eine Dreiviertelstunde lang dauerten.
Diesmal war Herrlich mit der SpVgg Unterhaching ins Grünwalder Stadion gekommen, und deren Fans sorgten gegen Ende dieses Drittliga-Derbys auch für eine Spielunterbrechung, wenn auch für eine kürzere. Einige hatten kleine Feuerwerkskörper in den Fünfmeterraum geworfen, einer lag direkt neben dem Sechzig-Torhüter Marco Hiller und schwelte noch. Mitspieler zogen Hiller nervös weg, Bierbecher flogen aufs Tor.

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Eine Platznot, die vorhersehbar war
Das Heimspiel von Türkgücü München gegen Schweinfurt ist abgesagt – es steht keine Spielstätte zur Verfügung. Der Klub hätte in Heimstetten spielen können, wollte aber nicht den vollen Mietpreis bezahlen. Damit gibt er die Chance auf drei Punkte im Abstiegskampf her.
Dieses hitzige Derby wird wohl eine Art 30. Mai für die Unterhachinger sein, denn sehr wahrscheinlich werden sie für lange Zeit nicht mehr im Grünwalder Stadion auflaufen, außer vielleicht im Verbandspokal. „Wir müssen realistisch bleiben“, sagte Johannes Geis nach dem Spiel, ohne das Wort Abstieg in den Mund zu nehmen. Für Haching war die 1:2 (1:1)-Niederlage im Derby der gefühlte Abstieg, für die Sechziger ist ihr Sieg fast schon gleichbedeutend mit dem gefühlten Ligaverbleib.
„Zehn Punkte aus vier Spielen, das ist schon ein Brett“, bilanzierte Sechzigs Trainer Patrick Glöckner nach der Partie. Doch obwohl Unterhaching in der Schlussphase nur selten gefährlich vors Tor gekommen war, ist der Erfolg der Gastgeber über 20 Minuten lang akut gefährdet gewesen. Schiedsrichter Assad Nouhoum hatte Maximilian Wolfram in der 72. Minute mit Rot vom Platz geschickt, nach einem taktischen, aber eher harmlosen Foul. „Ganz ehrlich“, sagte Glöckner, „die Regelauslegung gibt das auch nicht her.“
Der Ausgleich der Sechziger beruht auf purem Glück
Die Empörung war noch größer, als Hachings Manuel Stiefler für ein viel rabiateres Foul in der 86. Minute nur die gelbe Karte sah. Es habe ja einige kuriose Entscheidungen gegeben, „war lustig, ne, Heiko, die Ecke“, sagte Glöckner in der Pressekonferenz zu seinem Trainerkollegen Herrlich. Den Hachingern hatte der Unparteiische per Halbzeitpfiff einen Eckball verweigert.
Der Beginn des Spiels hatten bei den Sechzigern zunächst schlechte Erinnerungen an jüngere Tage geweckt, denn die Derbys gegen Haching liefen in den anderthalb Jahren, in denen Marc Unterberger Trainer in der Vorstadt war, gar nicht gut. Der im Dezember entlassene Unterberger saß diesmal auf der Haupttribüne. Und sah zu, wie Unterhaching überraschend, aber zunächst verdient in Führung ging. Sechzigs Rechtsverteidiger Tim Danhof wurde vom 20-jährigen Fabio Torsiello schlicht stehengelassen, wie eine Flipperkugel fand der Ball den Weg auf den Kopf von Lenn Jastremski, Jesper Verlaat lenkte den Ball ins eigene Tor ab.
Danhof war fortan sehr bemüht, seine Unaufmerksamkeit vor dem Gegentor wiedergutzumachen, nach 20 Minuten verzeichnete er die erste gute Chance für die Gastgeber. Sechzigs Torwart Marco Hiller hätte nur eine Minute später beinahe das 0:2 auf dem Gewissen gehabt. Einen Eckball bekam er nicht unter Kontrolle, Manuel Stiefler kam aus fünf Metern zum Schuss – Hiller wehrte mit dem Kopf ab. Als Danhof dann in der 31. Minute zum Laufduell im anderen Strafraum antrat, war er wieder nicht besonders schnell, jetzt aber mit Absicht. Sehr gerne ließ er sich von Maximilian Hennig in die Hacken treten, der Elferpfiff folgte prompt.

Es dauerte ewig, ehe Maximilian Wolfram schießen durfte, er musste auch noch einmal den Ball auf den Punkt legen. Dann schoss er genau so, wie man nicht schießen sollte: halbhoch und unplatziert. Kai Eisele parierte zur Seite, Tunay Deniz traf mit dem Nachschuss nur das Außennetz.
Dass trotzdem noch vor dem Pausenpfiff der Ausgleich fiel, war pures Glück: Lukas Reich kam aus genau 17 Metern zum Schuss, allerdings wirkte dieser eher ein bisschen verzweifelt, aus dem Stand chippte er die Kugel eher, doch sie senkte sich perfekt hinter Eisele ins Netz. Reich konnte es kaum glauben, es war das erste Tor bei den Profis für das 18-jährige Eigengewächs. „Ich gebe zu, den Schuss haben wir so nicht trainiert“, flachste Trainer Glöckner später.
Die Schusstechnik eines anderen Spielers wurde dann noch ein großes Thema, sie bekam das Prädikat „unfassbar“. Deniz‘ Schuss aus über 20 Metern, mit dem er die Partie drehte und entschied, war so schön, dass die gute Vorarbeit von Dickson Abiama hernach fast in Vergessenheit geriet (59.). Vor allem aber war dieser Schuss ein weiterer Beleg dafür, dass der Mittelfeldspieler vorangeht, seit ihn der Trainer ein wenig weiter nach hinten beordert hat. „Tunay schafft es im Moment, seinen Stempel aufzudrücken“, erklärte Glöckner, „er ist im Defensivverhalten so diszipliniert. Ein kompletter Spieler für uns.“ Und nein, den Schuss könne man auch nicht in ein paar Wochen einüben, das habe er sich wohl lange vorher angeeignet.
„Wir wussten, wir haben mehr Qualität auf allen Positionen, das haben wir am Ende auch gezeigt“, sagte Deniz. Auf die Frage, ob es nicht schade sei, nach dieser erfolgreichen englischen Woche nun in die Länderspielpause gehen zu müssen, sagte der 31-Jährige grinsend: „Also, tut auch mal gut, ein bisschen Pause zu haben.“ Die Löwen haben nun 39 Punkte, sieben wollen sie noch holen, ehe sie offiziell den Ligaverbleib ausrufen. Unterhaching ist jetzt zwar immer noch nur sieben Kilometer, aber als Tabellenletzter auch schon 20 Punkte entfernt.