Wenn ein Kind erfährt, dass ein Elternteil schwer erkrankt ist oder sogar stirbt, stürzt es in eine tiefe Krise. Die Gewissheit, dass man geborgen ist und behütet wird, sie bricht plötzlich weg. Nicht nur das Kind, die ganze Familie gerät in eine existenzielle Notlage und es stellt sich die Frage, wie nur weiterleben?
„Es gibt Menschen, denen passiert von jetzt auf gleich im Leben etwas, das alles verändert. Das sind Sekundenbruchteile“, sagt Redakteurin Annette Kögel bei der Übergabefeier im Verlag in Kreuzberg und bittet mit diesen Worten Katharina Kreuschner auf die Bühne, die mit dem Kinder- und Familienhospiz der Stephanus-Stiftung in genau diesen Fällen unterstützt: Zeit mit den Kindern verbringt, mal in den Zoo geht, tröstet, lacht, weint.
Die Gelder wurden an 55 mildtätige und gemeinnützige Organisationen vergeben
Schon zum 32. Mal fand die Tagesspiegel-Spendenaktion „Menschen helfen!“ statt. Im Herbst konnten sich Organisationen, Projekte, Vereine und Stiftungen auf eine Spende bewerben. Nun haben Annette Kögel und Stefanie Dujardin-Sommer, die federführenden Mitglieder des Tagesspiegel-Spendenvereins, die Gelder an 55 mildtätige und gemeinnützige Organisationen vergeben.
Die Bereiche sind vielfältig: Die Organisationen setzen sich gegen Femizide ein, für Lebensmittelversorgung in Kriegsgebieten, gegen Stalking oder für die Integration in den Arbeitsmarkt. Und ebenso vielfältig sind die Investitionen, die sich die Spendenempfänger nun leisten können: Eine Organisation wollte Geld für einen Yogakurs, eine andere Miete für Räume, eine Schallschutz, um geschützt mit den Opfern sprechen zu können.
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© David Heerde/David Heerde
Prominente Gäste waren Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), der Geschäftsführer des Tagesspiegels Nicolas Köhn und Chefredakteur Christian Tretbar. Bis Ende Februar haben Leserinnen und Leser des Tagesspiegels 313.000 Euro gespendet, das waren sogar noch einmal 10.000 mehr als vergangenes Jahr. Seit 20 Jahren konzipiert der Tagesspiegel seine Projekte der Entwicklungszusammenarbeit vor allem gemeinsam mit der Deutschen Welthungerhilfe (DWHH). Für die DWHH ist Patricia Niewels an diesem Montag aus Bonn zur Spendenfeier gekommen.
Nicht die Augen verschließen, sondern dranbleiben, wachsen, kämpfen
Katharina Kreuschner von der Stephanus-Stiftung erzählt auf der Bühne, dass ihr Projekt das Ziel habe, „Struktur und Ordnung in das Chaos“ zu bringen. Mehr als 70 Ehrenamtliche kümmern sich um die Familien. Laut Kreuscher schenken die Ehrenamtlichen den Kindern einen geschützten Raum, um Kind sein zu dürfen. Sie könnten „mal Sorgen teilen, was sie Mama und Papa vielleicht nicht erzählen, weil denen sofort die Tränen kommen“.

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Die Ehrenamtlichen bekommen eine intensive 100-Stunden-Ausbildung. Auch viele Monate nach dem Tod helfen die Ehrenamtlichen. Annette Kögel sagt, oft höre sie, dass Menschen die vielen negativen Nachrichten in der Welt nicht mehr ertragen könnten und deswegen die Augen davor verschlössen. „Nein!“, fordert sie die Vertreterinnen und Vertreter der Spendenempfänger auf, „dranbleiben, wachsen, kämpfen“. Die Stephanus-Stiftung tue genau das. „Danke dafür, danke an die vielen Ehrenamtlichen“, sagt Kögel.
Nicolas Köhn: Bedarf wird nicht weniger in den teilweise verrückten Zeiten
In seiner Begrüßung bedankte sich Tagesspiegel-Geschäftsführer Nicolas Köhn wiederum bei den Leserinnen und Lesern für ihre Spenden. „Der Bedarf für Unterstützung wird leider nicht weniger in diesen herausfordernden und teilweise etwas verrückten Zeiten“, sagte Köhn. Der Verein zeige beeindruckende Zahlen: Seit Beginn der Weihnachtsspendenaktion wurden mehr als 11 Millionen Euro ausgeschüttet, für Berlin, Brandenburg und die Welt. Er sei erfreut, dass trotz wirtschaftlich unsicherer Zeit die Spenden im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind. Das ist auch Mitarbeitenden wie Anja Heidenreich zu verdanken, die den Tagesspiegel verlässt und während der Feier für ihren langjährigen Einsatz für „Menschen helfen!“ geehrt wurde.

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Anschließend betonte Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe auf der Bühne, dass die Menschen in diesen Tagen dringender auf Hilfe angewiesen seien als je zuvor. Sie zeigte sich beeindruckt von der Leistung des Tagesspiegels, neben der täglichen Berichterstattung auch für Menschen in Not einzutreten. Es sei ein starkes Zeichen gegen die Polarisierung der Gesellschaft, gebe Hoffnung und Zuversicht, dass sich die Spenden so deutlich erhöhten, sodass noch mehr Projekte unterstützt werden könnten.
Soziale Infrastruktur: Unter der frisch sanierten Brücke schlafen Obdachlose
„Wie wunderbar ist es“, fragte sie die Spendenempfänger, „dass Sie mit dem Geld vielen Menschen helfen können, die es oft unverschuldet besonders schwer haben?“ Die soziale Infrastruktur leide durch die Sparzwänge; es sei ein Problem, wenn unter der neu gebauten Brücke Obdachlose schliefen. „Wir müssen auch in die Menschen und den Zusammenhalt investieren.“
Und Christian Tretbar, Chefredakteur des Tagesspiegels, sagt, Berlin sei eine inspirierende und großartige Stadt, in der Weltpolitik im Kiez jeden Tag erlebbar sei, was eine Stadt vor Herausforderungen stelle.

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„Die Stadt hat aber eigentlich alles, was man braucht, damit man das hinkriegt“, so Tretbar. Nämlich: sehr, sehr viele engagierte Menschen. Die hohe Spendenbereitschaft der Leser mache ihn stolz. Ein besonderes Projekt hob Tretbar hervor: Morus 14 aus Neukölln. Da geben jüdische Ehrenamtliche muslimischen Kindern Nachhilfe, eins der vielen Projekte für Begegnung.
Später kommt Ruqaya Ibrahim auf der Bühne und berichtet, wie ihre Familie von Morus 14 unterstützt wurde. Ibrahim stammt aus Syrien, hat sechs Kinder und arbeitet in einem Altenheim. Drei ihrer Kinder haben durch den Nachhilfeunterricht den Abschluss geschafft, sagte sie.
Ihr Sohn Mohammed mache gerade seine Ausbildung. Ibrahim findet es traurig, dass der Judenhass in Berlin so grassiere. In ihrer Heimat, Aleppo, sei es normal gewesen, dass Muslime und Juden friedlich zusammenlebten.