Der Autoverkehr verliert in Berlin immer weiter an Bedeutung. Zugleich gehen die Berliner so viel zu Fuß wie lange nicht. Das geht aus den neuen Daten der Studie „Mobilität in Städten“ hervor, die die Senatsverkehrsverwaltung auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat.
Die Großstudie der Technischen Universität Dresden untersucht bundesweit, wie sich die Menschen in deutschen Großstädten fortbewegen. Für die aktuelle Untersuchung wurden von Anfang 2023 bis 2024 bundesweit mehr als 280.000 Menschen zu ihren täglichen Wegen befragt.
Nur noch 22 Prozent der Wege in Berlin per Auto
Entsprechend wertvoll sind die Daten für Städte und Verkehrsplaner. Und sie zeigen mit Blick auf Berlin eine klare Entwicklung: Erneut sinkt der Anteil der Wege, die die Leute mit dem Auto zurücklegen. Mittlerweile sind es nur noch 22 Prozent.
Noch 2018 lag der Wert bei 26 Prozent, 2013 sogar bei 30 Prozent. Zehn Jahre, in denen sich das Mobilitätsverhalten der Berliner Bevölkerung deutlich verändert hat.
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Klarer Gewinner der aktuellen Studie ist der Fußgängerverkehr. 34 Prozent aller Wege bewältigen die Berliner mittlerweile zu Fuß. Im Vergleich zu den Zahlen von 2018 (30 Prozent) ein erkennbarer Anstieg.
Noch deutlicher fällt die Lage mit Blick auf die Strecken innerhalb der Stadt aus. Hier entscheiden sich die Berliner sogar in 36 Prozent der Fälle, zu Fuß an ihr Ziel zu kommen. Ins Auto steigt dafür nur jeder Fünfte (20 Prozent).
Anteile von Radverkehr und ÖPNV stagnieren
Kaum Veränderung gibt es dagegen beim Fahrrad- und beim öffentlichen Nahverkehr. Wie 2018 setzten sich die Berliner auch laut der aktuellen Befragung für 18 Prozent aller Wege aufs Fahrrad. Bus und Bahn wurden in 26 Prozent der Fälle genutzt, ein leichter Rückgang (2018: 27 Prozent). Der Anteil des ÖPNV stagniert damit bereits seit 2013 – trotz dichterer Takte und deutlich mehr Angeboten in der Zwischenzeit.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn man die Streckenlänge betrachtet. Von den 18 Kilometern, die die Berliner durchschnittlich täglich zurücklegen, macht der öffentliche Nahverkehr mit 7,74 Kilometern den größten Anteil aus (43 Prozent). Dahinter folgt das Auto mit 6,84 Kilometern (38 Prozent).
Auch wenn die Berliner am häufigsten zu Fuß gehen, bewältigen sie damit täglich im Durchschnitt nur etwas mehr als einen Kilometer. Beim Fahrrad sind es 2,34 Kilometer pro Person und Tag.
Die sinkende Bedeutung des Autoverkehrs zeigt sich jedoch auch hier: Noch 2013 wurden mit 9,36 Kilometern 45 Prozent aller Distanzen im Pkw zurückgelegt. Eine Rolle dürfte dabei auch spielen, dass immer mehr Berliner Haushalte kein eigenes Auto besitzen. Mittlerweile sind es 46 Prozent. 2013 lag der Anteil noch bei 40 Prozent.
Die Berliner sind immer weniger mobil
Deutlich wird aus den Daten auch, dass die Berliner insgesamt immer weniger mobil sind. Die zurückgelegte Distanz pro Tag sank von 2018 zu 2023 von 20,4 auf nur noch 18 Kilometer. Insgesamt legten die Menschen in der Hauptstadt täglich noch 3,3 Wege zurück. 2018 waren es noch 3,5. Die durchschnittliche Distanz eines Wegs sank von 5,9 auf 5,5 Kilometer.
„Das bestätigt, was wir seit Jahren beobachten. Seit der Pandemie hat sich das Mobilitätsverhalten verschoben“, sagt der Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).
Weil die Leute nicht mehr täglich zur Arbeit fahren, merken sie, was sie alles in ihrem Umfeld zu Fuß erledigen können.
Verkehrsforscher Andreas Knie
Großer Gewinner dieser Entwicklung sei der Fußverkehr. Auslöser dafür sei, dass seither immer mehr Menschen zumindest tageweise aus dem Homeoffice arbeiteten. „Weil die Leute nicht mehr täglich zur Arbeit fahren, merken sie, was sie alles in ihrem Umfeld zu Fuß erledigen können“, erklärt der Verkehrsforscher.
Durch die selteneren Fahrten zur Arbeit werde insgesamt weniger Auto gefahren. „Wir haben eine abnehmende Fahrleistung von Autos, sowohl was die Entfernung als auch was die Zahl der Wege angeht“, sagt Knie. Daran müsse sich auch die Berliner Verkehrspolitik stärker orientieren.
Im stagnierenden Anteil des Radverkehrs sieht der Experte vor allem einen Arbeitsauftrag: „Der könnte deutlich größer sein, wenn wir eine vernünftige Infrastruktur für Radfahrer hätten.“
Flächendeckend zu sagen, wir müssen den ÖPNV ausbauen ist fahrlässig falsch. Das stopft nur Geld in die falschen Stellen.
Verkehrsforscher Andreas Knie
Kritischer blickt er auf die Stagnation im öffentlichen Nahverkehr. „Gemessen an den Investitionen, die wir dort tätigen, ist das enttäuschend“, sagte Knie. Viel helfe in diesem Fall nicht zwangsläufig viel, meint er. Das zeige sich besonders beim Busverkehr. „Das Busnetz in Berlin ist schon groß, aber es kann dem Auto außerhalb des S-Bahnrings nicht Paroli bieten.“
Grund dafür sei die zunehmend individualisierte Gesellschaft, vermutet Knie. „Wir wollen zur eigens bestimmten Zeit im eigenen Raum unterwegs sein. Da ist der ÖPNV, wenn er denn in Großgefäßen abgewickelt wird, immer weniger attraktiv.“
Der Verkehrsforscher fordert daher eine Abkehr vom bisherigen ÖPNV-Ausbau: „Flächendeckend zu sagen, wir müssen den ÖPNV ausbauen, ist fahrlässig falsch. Das stopft nur Geld in die falschen Stellen.“
Erfolgreich seien die Angebote im Schienenverkehr, also U-Bahn, S-Bahn und Tram. Diese müssten weiter ausgebaut werden. Für andere Strecken müsse Berlin auf einen intelligenten On-Demand-Verkehr mit Shuttlen setzen, fordert Knie. „Da tut sich bislang in Berlin viel zu wenig.“