Im Prozess um die Attacke auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira hat ein angeklagter Ex-Kommilitone den Angriff gestanden und um Vergebung gebeten. Einen Umschlag mit Geld brachte der Angeklagte mit zum Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten. 5.500 Euro, die er dem jüdischen Studenten Lahav Shapira in die Hand drücken wollte. Als Zeichen seiner Reue.
Eine Übergabe aber lehnte der Nebenkläger ab. Das Motiv der Attacke ist Kernfrage des Prozesses um den Angriff auf Lahav Shapira, der weit über Berlin hinaus Entsetzen auslöste. War es eine antisemitische Attacke?
Mit Mustafa A. sitzt ein 24-Jähriger auf der Anklagebank, der damals wie Shapira an der Freien Universität (FU) Berlin auf Lehramt studierte. Sie kannten sich allerdings nur über eine studentische WhatsApp-Gruppe. Vier Monate nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 begegneten sie sich zufällig in einer Bar am Rosenthaler Platz in Mitte.
„Es ging nicht um Politik“
Als Shapira am 2. Februar 2024 das Lokal verließ, sei er ihm gefolgt, gestand A. nun. Er habe ihn zur Rede stellen wollen wegen abgerissener Plakate in der Uni und einem aus seiner Sicht nicht guten Umgang in einer Chatgruppe von Lehramtsstudenten. „Es ging nicht um Politik“, so der Angeklagte, ein Deutscher mit palästinensischen Wurzeln. Der 32-jährige Lahav Shapira allerdings schilderte als Zeuge vor Gericht: „Er hat Plakate angesprochen, bei denen es darum ging, Israel auszulöschen.“
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Die Gewalt gestand der Ex-Student. „Ein Wort gab das andere“, ließ A. über seinen Anwalt Ehssan Khazaeli erklären. Er habe die Fassung verloren und Shapira ins Gesicht geschlagen. Als der damalige Kommilitone wieder aufstehen wollte, habe er ihn frontal ins Gesicht getreten. Shapira erlitt eine komplexe Mittelgesichtsfraktur und Hirnblutung. Mehrere Operationen waren erforderlich, Platten mussten wegen der massiven Verletzungen im Gesicht eingesetzt werden.
Mit so heftigen Folgen habe er nicht gerechnet, so der Angeklagte. „Es war meine erste Schlägerei“. Es tue ihm sehr leid. „Ich möchte mich entschuldigen.“ Was geschah, habe auch sein Leben verändert. Er habe sich freiwillig exmatrikuliert, sei für einen Neustart nach München gezogen, habe ein Anti-Gewalt-Training begonnen, befindet sich in therapeutischer Behandlung.
„Er hat mich freundlich angesprochen und zugeschlagen“, erinnerte sich Shapira vor Gericht. Alles sei sehr schnell gegangen, er habe auf die Worte des Angreifers gar nicht reagieren können. Mehrere Monate habe er wegen der schweren Verletzungen nicht die Uni besuchen können. Hetze habe es gegeben. Ein unbedarftes Studentenleben könne er nicht mehr führen.
Chats spielen im Prozess eine große Rolle. A. will sich an „Ton und Umgang“ gestoßen haben. Lahav Shapira sagte, er sei für eine Gruppe Administrator gewesen. Er sei nur gegen antisemitische und rassistische Kommentare vorgegangen.
Antisemitismusbeauftragter verfolgt Prozess
Staatsanwalt Tim Kaufmann geht davon aus, dass der Angriff auf Nebenkläger Shapira antisemitisch war. Es sei auch eine entsprechende Handynachricht ermittelt worden. „Vermischt wurde einerseits die Perspektive des Nebenklägers auf den Nahostkonflikt und andererseits seine Religion – diese Gemengelage machte ihn zum Opfer einer Straftat“, sagte er am Rande des Verfahrens. Die Frage des Motivs wird entscheidend dafür sein, ob der Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung mit einer Bewährungs- oder Gefängnisstrafe endet. Zum Urteil könnte es am 17. April kommen.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, verfolgte den Auftakt des Prozesses vor dem Schöffengericht, der unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen erfolgt. „Dieses Verfahren zeigt eines ganz deutlich: nämlich, wie gefährlich Antisemitismus ist und wie wichtig seine konsequente Verfolgung und Ahndung durch die Justiz sind“, erklärte Klein im Vorfeld.