Die Bewohner Kanadas haben den Ruf, die nettesten Menschen der Welt zu sein. Nun hat Donald Trump sie aber derart provoziert, dass sie eine weniger freundliche Seite von sich zeigen. Der US-Präsident hat hohe Zölle gegen den nördlichen Nachbarn verhängt, die von diesem Dienstag an gelten. Sie betragen 25 Prozent und betreffen nahezu alle kanadischen Importe mit Ausnahme von Energieträgern sowie Einfuhren aus Mexiko und China.
Der Premierminister der kanadischen Provinz Ontario, Doug Ford, will den US-Amerikanern deshalb den Strom abdrehen. Er werde alle Importe von Elektrizität einstellen, sagte Ford am Montag. Dies werde er mit einem „Lächeln im Gesicht“ tun, „sie sollen den Schmerz spüren“. Das energiereiche Ontario belieferte 2023 mehr als eine Million amerikanische Haushalte mit Strom.
Auch Kanadas Premierminister Justin Trudeau verkündete noch am Montag umgehende 25-prozentige Gegenzölle auf US-Importe im Wert von rund 20 Milliarden Dollar. Weitere Zölle auf Waren im Wert von 86 Milliarden Dollar sollen folgen, falls Trumps Maßnahmen auch in drei Wochen noch gelten. „Zölle werden eine unglaublich erfolgreiche Handelsbeziehung stören“, sagte Trudeau. Außerdem würden sie gegen das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada verstoßen, das Trump während seiner ersten Amtszeit unterzeichnet hatte.
Auch den Handelsstreit mit dem Systemrivalen China eskaliert der US-Präsident weiter. Trump verhängte am Montag zusätzliche Zölle in Höhe von zehn Prozent auf alle Importe aus China. Sie kommen auf die bereits seit Februar gelten zehnprozentigen Zölle auf Waren aus der Volksrepublik oben drauf - sowie auf die älteren Zölle, die noch aus Trumps erster Amtszeit stammen oder von seinem Nachfolger Joe Biden beschlossen wurden.
China reagierte am frühen Dienstagmorgen ebenfalls mit Gegenzöllen. Sie fallen künftig auf eine Vielzahl von US-Lebensmittelimporten an, etwa auf Hühnerfleisch, Weizen, Mais und Sojabohnen.
Das chinesische Handelsministerium nimmt daneben 15 strategisch wichtige US-Unternehmen, darunter der US-Drohnenhersteller Skydio, ins Visier und kündigt Sanktionen gegen sie an. Produkte, die diese Unternehmen aus China beziehen wollen, werden künftig nur noch nach spezieller Genehmigung an sie exportiert. Das Ministerium begründet diesen Schritt mit dem „Schutz der nationalen Sicherheit und Interessen.“ Zehn weitere amerikanische Unternehmen setzte das Handelsministerium auf eine Liste „unzuverlässiger Unternehmen“. Das heißt, dass sie nur mit Einschränkungen oder gar keine Geschäfte in China mehr tätigen dürfen. Die chinesische Regierung hatte schon seit einiger Zeit an einem „Playbook“ für Vergeltungsmaßnahmen gearbeitet, also an einer Art Gebrauchsanweisung für den Handelskrieg mit den USA.
Die einseitigen Zollmaßnahmen der USA würden gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen und die Grundlage für die wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten untergraben, teilte das chinesische Handelsministerium nun mit. „China wird seine legitimen Rechte und Interessen entschieden verteidigen.“

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Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum sagte am Dienstag, dass auch ihr Land Gegenzölle von 25 Prozent erlassen werde. Weitere Details will sie erst am Sonntag bekanntgeben. Sie reagierte damit etwas defensiver als die beiden anderen Staaten.
Trumps Zölle richten sich gegen die drei wichtigsten Handelspartner der USA. Einfuhren aus Kanada, Mexiko und China machen zusammen mehr als 40 Prozent aller US-Importe aus. Aber auch umgekehrt exportierten US-Unternehmen zuletzt Waren im Wert von mehr als 830 Milliarden Dollar in diese drei Länder. Trotzdem steht aus US-Sicht unterm Strich ein Handelsdefizit: Die USA importieren also aus Kanada, Mexiko und China mehr Güter, als sie dorthin exportieren.
Trump begründet die Zölle gegen Kanada, China und Mexiko aber nicht nur mit dem US-Handelsdefizit, sondern mit dem Drogenschmuggel aus diesen Ländern. Es geht ihm insbesondere um das Opioid Fentanyl, dessen Bestandteile aus China kommen. Das chinesische Außenministerium deutete Dienstag an, die Zusammenarbeit mit den USA bei der Bekämpfung von Fentanyl als Teil der Vergeltungsmaßnahmen gegen die Zölle einzuschränken. „Dies wird ein schwerer Schlag für die Zusammenarbeit bei der Drogenbekämpfung sein“, sagte Lin Jian, ein Sprecher des Ministeriums.
Mit den neuen Zöllen löst Trump ein Wahlkampfversprechen ein. Er hat seinen Wählerinnen und Wählern in Aussicht gestellt, die Handelsbeziehungen grundsätzlich zu überarbeiten. So hofft er, Unternehmen dazu zu bringen, ihre Produktion in die USA zu verlagern. Das soll Jobs in ländliche Regionen und frühere Industriezentren zurückbringen, die wirtschaftlich in den vergangenen Jahrzehnten stark gelitten haben.
Nahezu alle Ökonomen und Unternehmensvertreter warnen jedoch, dass die US-Wirtschaft stark unter einem Handelskrieg leiden wird. Vor allem dürfte die Inflation weiter steigen, weil US-Unternehmen die Zölle an die amerikanischen Verbraucher weitergeben. Damit würde Trump ein anderes Wahlkampfversprechen brechen. Die Wirtschaftsberater des Präsidenten weisen diese Befürchtung zurück. Sie argumentieren, dass die Preise während seiner ersten Amtszeit auch nicht gestiegen seien, als Trump schon einmal umfassende Zölle erließ. Schon jetzt erweist sich die Inflation als äußerst hartnäckig. Im Januar stieg sie erneut auf drei Prozent an.
Tatsächlich haben die Handelsbarrieren während Trumps erster Amtszeit die US-Landwirte hart getroffen. Sie verloren rund 27 Milliarden Dollar an Exportumsätzen und verloren Marktanteile an Brasilien. Die Zölle auf mexikanische und kanadische Produkte könnten zudem schwerwiegende Auswirkungen auf die stark integrierte nordamerikanische Wirtschaft haben.
Auto- und Maschinenbauer, die Energiegewinnung und die Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte sind auf grenzüberschreitende Lieferungen angewiesen. Die US-Autoproduktion könne innerhalb einer Woche einen Schock wie zuletzt während der Pandemie erleben, warnte Flavio Volpe, der Präsident des kanadischen Verbandes der Autozulieferer. Auch Entlassungen prophezeite er.

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Auch in der US-Wirtschaft wächst die Kritik an Trumps Zöllen. Der 94-jährige Starinvestor Warren Buffett, dessen Stimme in den USA etwas zählt, weil er quasi als Wirtschaftshellseher gilt, gab dem Fernsehsender CBS anlässlich des Handelskriegs ein Interview, eine Seltenheit angesichts seines Alters. „Im Laufe der Zeit sind sie ein Angriff auf die Waren“, sagte Buffett auf die Frage nach den inflationären Auswirkungen von Zöllen. Verbraucher in den USA müssten mit höheren Preisen rechnen. „Ich meine, die Zahnfee bezahlt sie nicht“, sagte er.
Buffetts Firmenkonglomerat Berkshire Hathaway bereitet sich darauf bereits vor und hat in jüngster Zeit verstärkt in US-Staatsanleihen investiert, die weniger riskant sind als Unternehmensanleihen und Aktien. „In der Wirtschaft muss man sich immer die Frage stellen: Und was dann?“, sagte Buffett. „Die Preise werden in zehn, 20 oder 30 Jahren höher sein.“
Der Chef des US-Handelskonzerns Target kündigte an, dass die Preise in seinen Läden wegen der Zölle voraussichtlich schon in den kommenden Tagen steigen würden. Nicht nur bei Target, sondern auch in den meisten anderen US-Supermärkten und -Läden stammt eine Vielzahl der Produkte aus den nun mit Zöllen belegten Ländern. Dies gilt für allerlei günstige Artikel des alltäglichen Bedarfs genauso wie für Lebensmittel.
Auch die Märkte reagierten am Dienstag negativ. Der amerikanische Index S&P 500 sank nach Handelsbeginn um 1,8 Prozent. Schon am Montag hatten die Aussichten auf die Zölle die US-Börsen bereits schwer belastet. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte schloss mit einem Abschlag von 1,5 Prozent bei 43 191 Punkten.
Es ist wahrscheinlich, dass die nun von den USA verhängten Zölle nur der Anfang sind. Bereits kommende Woche, am 12. März, sollen Einfuhrabgaben in Höhe von 25 Prozent auf Aluminium- und Stahl-Importe in Kraft treten, egal, woher sie stammen. Trump hat daneben auch Zölle gegen Produkte aus der Europäischen Union sowie Zölle auf Autos, Rohstoffe wie Kupfer und landwirtschaftliche Produkte in Aussicht gestellt.