Die Frage, wie sehr oder ob überhaupt die Fans des FC Bayern von der anstehenden Vertragsverlängerung ihres Mittelfeldspielers Joshua Kimmich begeistert sind, wird am Samstag wahrscheinlich gar nicht beantwortet werden. Es deutet zwar einiges darauf hin, dass der Name Kimmich beim Verlesen der Aufstellungen vor dem Spiel gegen Bochum keine Jubelstürme auslösen wird – was aber auf keinen Fall gegen den Spieler verwendet werden könnte. Denn wer gar nicht vorgelesen wird, der bekommt auch keinen Applaus.
Zum zweiten Mal nach den Februar-Partien gegen Celtic Glasgow habe sein Team drei Partien in sechs Tagen zu bestreiten, sagte Trainer Vincent Kompany am Freitag in der Pressekonferenz, „wir beschweren uns nicht, müssen aber damit umgehen. Und das Wichtigste ist, dass alle Spieler frisch sind“. Deshalb sei es „eine Notwendigkeit, den ganzen Kader zu verwenden“. Das klingt sehr deutlich nach der Anwendung des Rotationsprinzips, das der Trainer Ottmar Hitzfeld einst für genau solche Fälle ersonnen hatte.
Am Dienstagabend werden die Münchner beim Champions-League-Rückspiel in Leverkusen den Versuch unternehmen, ins Viertelfinale einzuziehen – die Chancen stehen nach dem 3:0 im Hinspiel gut bis ausgezeichnet, aber natürlich wollen die Bayern nicht leichtsinnig werden. Sicherheitshalber werden sie also einige ihrer Fachkräfte im Spiel gegen Bochum schonen, wozu mit einiger Wahrscheinlichkeit auch Kimmich gehören dürfte, zumal der gerade erst eine kleinere Oberschenkelverletzung hinter sich hat. Auf jeden Fall ersetzt werden muss Torwart Manuel Neuer, der nach seinem offenbar beim Jubeln erlittenen Muskelfaserriss in der Wade erst nach der Länderspielpause wieder zurückerwartet wird.

Nationalspieler Kimmich im Interview
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„Ich sehe diese Rolle überhaupt nicht als Degradierung“
Joshua Kimmich spricht über die deutsche Debattenkultur, er wehrt sich dagegen, für Misserfolge der DFB-Elf verantwortlich gemacht zu werden. Und er erklärt, warum ihm die Rechtsverteidigerposition nicht nur sportlich guttut.
So dürfte es im Stadion also auch keine feierliche Kimmich-Verkündung geben, wobei ein amtliches Zeremoniell nach den Anstrengungen der vergangenen Wochen durchaus angemessen wäre. Es ist in der Chronologie ja nur noch schwer auseinanderzuhalten, wer wann genau welches Angebot unterbreitet und anschließend zurückgezogen hat. In diesem vielzüngigen Verein steht im Fall Kimmich mehr denn je Aussage gegen Aussage, je nach Agenda der Tatbeteiligten sind die unterschiedlichsten Versionen im Umlauf. Immerhin steht inzwischen fest, dass der Donnerstag den endgültigen Durchbruch in diesem Fall erbracht hat. Kimmich, 30, wird dem Verein erhalten bleiben und in Kürze seine Unterschrift unter einen neuen, wahrscheinlich auf vier Jahre bemessenen Vertrag setzen.
Am Tag nach dem Sieg gegen Leverkusen hatte sich zunächst ein gemischtes Aufsichtsrats-/Vorstands-Gremium aus Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge, Herbert Hainer, Jan-Christian Dreesen, Michael Diederich sowie den Sportchefs Max Eberl und Christoph Freund an der Säbener Straße getroffen, um noch mal die Konditionen zu erörtern, die Eberl und Kimmich kürzlich ausgehandelt hatten. Nicht alle Funktionäre seien von Angebot und Spieler gleich begeistert gewesen, so ist zu hören, dennoch stimmten am Ende des Tages alle zu, womit der sogenannte Ball, den Kimmich am Abend zuvor noch den Bossen zugespielt hatte, nun wieder beim Spieler lag. Am Abend des Donnerstags hat sich Kimmich dann seinerseits mit Vertrauten beraten – und dem Ja der hohen Herren noch mal sein eigenes Ja hinzugefügt.
Für Sportvorstand Max Eberl heißt es jetzt eigentlich: Sparen
„Zu Jo gibt es aktuell nichts zu verkünden“, sagte Christoph Freund zwar am Freitag in der Pressekonferenz, aber die Zurückhaltung ist nur noch formeller Natur. Zu klären gibt es noch Zeitpunkt sowie Art und Weise der Verkündung, auch dürfte sich der rechtliche Beistand des Spielers noch einmal über die Papiere beugen. Gut möglich, dass eine Veröffentlichung erst nach dem Champions-League-Rückspiel erfolgt.
Parallel zu den herausfordernden Aufgaben in Bundesliga und Champions League können die Sportchefs beim FC Bayern nun weiter an der Zusammenstellung jener Mannschaft arbeiten, die den Klub auch in der kommenden Saison erfolgreich vertreten soll. Keine einfache Aufgabe insbesondere für Max Eberl, der nicht bei allen Oberbossen dasselbe Ansehen genießt und tapfer eine Quadratur des Kreises bewältigen muss.
Die Vertragsverlängerungen von Neuer, Davies, Musiala und Kimmich sind sogar für den FC Bayern teuer
Früh haben ihm die Bosse eine Art Sparkurs ins Pflichtenheft geschrieben, Eberl muss aufarbeiten, was vor seiner Amtszeit liegen geblieben ist. Aus der Ära von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic hat er einen unglaublich teuren Kader übernommen, dessen Unterhalt selbst diesem mächtigen Verein zu schaffen macht; besonders kompliziert wird Eberls Job, weil er einerseits die Kosten senken, aber gleichzeitig die Leistungsträger behalten soll. So haben die Vertragsverlängerungen mit Jamal Musiala, Alphonso Davies, Manuel Neuer und nun Joshua Kimmich erst mal eine spektakuläre Menge an Kapital gebunden, und man kann davon ausgehen, dass Uli Hoeneß’ Appell vom vergangenen Sommer („es kommt überhaupt kein Spieler mehr, wenn nicht vorher ein, zwei oder drei Spieler gehen“) auch aktuell wieder gilt.
„Wir wollen als Bayern München mithalten und trotzdem finanziell gesund bleiben“, sagte Christoph Freund am Freitag zum Thema internationale Wettbewerbsfähigkeit. Aber vor der internationalen Wettbewerbsfähigkeit kommt erst mal der VfL Bochum.