Also wenn das die anderen können, wird sich Jule Brand in dem Moment gedacht haben, dann machen wir das jetzt auch! Die 22-Jährige spielte einen langen Pass in eine Lücke, die sich am Strafraum auftat. Und tatsächlich, es funktionierte: Linda Dallmann gab dem Ball mit ihrem Schuss vom Fünfmeterraum noch eine ordentliche Portion Schwung mit – und schon war der Anfang gemacht, um den Nations-League-Abend des deutschen Nationalteams gegen Österreich zu retten.
Noch zeugte der Gesichtsausdruck von Bundestrainer Christian Wück zwar von all den ernüchternden Szenen im Nürnberger Max-Morlock-Stadion, die die Freude über diesen Treffer überlagerten. Aber weil die zweite Halbzeit vor den 14 394 Zuschauern mehr Momente à la Dallmann bereithielt, stand am Ende eines durchwachsenen Abends doch der erste Heimsieg unter Wück, ein 4:1 (1:1).

Deutsches Nationalteam in der Nations League
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Die Suche nach der neuen Nummer 1
Eine Kapitänin hat Christian Wück benannt, nun muss der Bundestrainer sich noch auf eine Stammtorhüterin festlegen. Vier Monate vor der EM hat er die Wahl zwischen Erfahrung und einem Generationenwechsel – und muss mit kurzfristigen Ausfällen umgehen.
Im Vergleich zum 2:2 gegen die Niederlande hatte der Bundestrainer seine Startelf auf zwei Positionen verändert. Links verteidigte Felicitas Rauch statt Sarai Linder, im Tor konnte sich Stina Johannes präsentieren, deren Einsatz früh feststand, weil Ann-Katrin Berger ausfiel. Johannes stand direkt im Fokus, viel früher, als es ihr lieb gewesen sein kann: Nach eigenem Einwurf verlor Klara Bühl den Ball, dann reichte den Österreicherinnen – wie die Niederländerinnen es vorgemacht hatten – ein langer Pass, um die deutsche Abwehr zu destabilisieren. Rechts war Janina Minge überfordert mit Lili Purtschneller, die legte quer, und Annabel Schasching schloss in Ruhe ins untere rechte Eck ab.
In der zweiten Halbzeit treffen gleich drei eingewechselte Spielerinnen
Gegen die Niederlande hatte es 13 Minuten bis zum Rückstand gedauert, nun war die Stimmung schon nach drei Minuten gedämpft. Denn das Schema war weitestgehend das gleiche, ebenso die Ursache: Die Defensive bleibt die Problemstelle dieses Teams, auch am Dienstagabend fiel sie mehr durch Unordnung statt durch Stabilität auf. Das hohe Verteidigen aber möchte der Bundestrainer beibehalten. So würden schließlich alle Spitzenmannschaften im modernen Fußball spielen. „Wir spielen anders, als Horst das wollte“, hatte Wück in Anspielung auf den Sicherheitsfußball seines Interims-Vorgängers Horst Hrubesch gesagt: „Aber ich wehre mich dagegen, das als riskant zu bezeichnen.“
Die Österreicherinnen hatten zwei weitere gute Torchancen, ehe die Deutschen zurück ins Spiel kamen. Nach einer Flanke von Bühl lenkte Rebecca Knaak den Ball vom linken Pfosten vors Tor, Laura Freigang musste nur noch ihren Fuß zum Ausgleich in der 39. Minute hinhalten.
Waren es die Wechsel? Wücks Worte? Oder nachlassende österreichische Energie? Als wäre ein Schalter umgelegt worden, agierten die DFB-Frauen in der zweiten Halbzeit viel geordneter, überlegter, gingen entschlossener in die Zweikämpfe. Noch dazu zeigten sie mehr Zug und deutlich weniger Fehler in der Offensive. Dallmann kam für Freigang – und traf. Giovanna Hoffmann kam für Lea Schüller – und traf in der 70. Minute nach Vorlage von Dallmann, die einen schlampigen Pass der Österreicherinnen im Aufbauspiel gedankenschnell weitergeleitet hatte. Und das Wechselwunder wurde noch fortgesetzt. Zehn Minuten vor Schluss kam Vivien Endemann für Jule Brand – und traf ebenfalls. Für ein Lächeln reichte es beim Bundestrainer trotzdem nicht.