Boris Herrmann über das Ökosystem
Als der SZ-Redakteur Boris Herrmann dem Ehepaar Sarah Darwin und Johannes Vogel erstmals begegnete, zufällig auf den Galápagos-Inseln, da fiel zwischen Riesenschildkröten und Blaufußtölpeln der Satz: „Nichts ist so politisch wie die Natur.“ Aus dem Plan, dem auf den Grund zu gehen, ist ein Interview-Buch entstanden. In ihren Gesprächen mit Herrmann entwickeln die Ur-Ur-Enkelin des Evolutionstheoretikers Charles Darwin und der Generaldirektor des Berliner Naturkundemuseums nichts Geringeres als eine Vision zur Rettung der Welt. Sie erklären, welche Botschaften sich in einem Vogelnest verbergen, das vor hundert Jahren in der Südsee gefunden wurde, warum es ein Problem ist, wenn eine bestimmte Tomatensorte verschwindet und weshalb der Mensch optimistisch in die Zukunft blicken kann – falls er aufhört, mit aller Kraft an dem Ast zu sägen, auf dem er sitzt.
Sarah Darwin und Johannes Vogel im Gespräch mit Boris Herrmann: Das Parlament der Natur. Was uns Farne, Finken und ihre Verwandten zu sagen haben. Propyläen Verlag, Berlin 2025, 240 Seiten, 36 Euro.
Michael Ebert über Selbstzweifel
Dr. Hannes Hennes, leicht unterforderter Mathelehrer mit einem seltsamen Namen, könnte ein zufriedener Mensch sein. Doch plötzlich widerfahren ihm unerklärliche Katastrophen, die sein Leben völlig auf den Kopf stellen. Dass er bei „Wer wird Millionär“ an der ersten Frage scheitert und sich damit zum Gespött des ganzen Landes macht, ist da nur der Anfang – natürlich hätte er auch niemals mit dem Jagdgewehr seines besten Freundes schießen dürfen. Schuld, merkt Hannes, ist das Gefühl mit dem größten Gewicht.
„Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt null Prozent“ ist der zweite Roman von Michael Ebert, soeben erschienen im Penguin-Verlag. Wie schon in seinem Debüt „Nicht von dieser Welt“ verhandelt Ebert große Fragen auf leichte und unterhaltsame Weise: Wie gehen wir mit Selbstzweifeln um? Ist unser Selbstmitleid womöglich größer als unsere Reue? Wer hilft, die Scherben zusammenzukehren, wenn alles in die Brüche geht? „Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt null Prozent“ ist eine rasante Tragikomödie über den Versuch, sein Leben in den Griff zu bekommen. Die Erkenntnis: das Schicksal ist leider unerbittlich – und wer ein Happy End will, muss wirklich alles geben.
Michael Ebert: „Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt null Prozent“, Penguin, München 2025, 240 Seiten, 24 Euro.
Cord Aschenbrenner über NS-Enteignung
„Reichlich hoch“ erschienen dem Sachbearbeiter in den 1960ern die Reisekosten, er forderte Belege an. Und überhaupt, der Antragsteller habe es ja „vorgezogen, Deutschland 1938 zu verlassen“. Besagte Reise freilich hatte Waldemar Horwitz 1938 über England in die USA geführt, als der jüdische Unternehmer vor den Nazis aus Hamburg floh. Seine Maschinenfirma am Neuen Wall, der renommiertesten Einkaufsstraße der Hansestadt, war vom NS-Regime enteignet worden. In seinem neuen Buch „Der Raub“ hat der Journalist und Historiker Cord Aschenbrenner die jüdische Geschichte des Neuen Walls sorgfältig rekonstruiert und viele Schicksale erforscht. So entreißt er die betroffenen Menschen ebenso dem Vergessen wie die Verbrechen der Täter und die Schamlosigkeit der Profiteure. Es ist eine wertvolle, einfühlsam und gut geschriebene Fallstudie aus der finstersten Zeit der deutschen Geschichte. Zu dieser gehört, dass Waldemar Horwitz nur für einen Bruchteil seines verlorenen Vermögens entschädigt wurde.
Cord Aschenbrenner: Der Raub. Enteignung und Vertreibung der jüdischen Geschäftsleute am Neuen Wall. Wachholtz 2025, 245 Seiten, 24 Euro.