Als der Handwerker in Berlin aus dem Bus stieg, war die Welt für ihn noch in Ordnung. Evaldas J. wollte weiter nach Kopenhagen zu seinem Bruder. Doch am Hauptbahnhof ließ er sich auf eine Zech-Runde ein und wurde bestohlen, auch Papiere und Geld waren weg. Zwei Wochen später trat er auf einen anderen obdachlosen Mann ein. Acht Jahre Haft wegen Totschlags verhängte das Berliner Landgericht am Montag gegen den 42-Jährigen.
Das Opfer saß am 7. Juli 2024 auf einer Bank vor einem Geschäftshaus in der Nähe des Hauptbahnhofs. Es war 8.40 Uhr, als der 48 Jahre alte Mann von hinten angegriffen wurde. Mehrere Überwachungskameras zeichneten die brutalen Szenen auf. „Evaldas J. trat mit einem gezielten Ausholtritt gegen den Kopf“, hieß es nun im Urteil. „Er wollte ihm eine Lektion erteilen.“ Denn J. habe den 48-Jährigen für jenen Mann gehalten, der ihn bestohlen hatte.
Nach dem ersten Tritt folgten weitere – „der sportliche Angeklagte setzte nach“. Insgesamt seien es etwa zehn Tritte gewesen. Es vergingen mehrere Stunden, bis endlich jemand nachschaute, warum der Mann reglos am Boden lag. Der 48-Jährige hatte massive Kopfverletzungen erlitten.
Ein Ermittler erkannte den Täter wieder
Der Täter kehrte vier Tage später zurück zum Tatort. Hier kam der Zufall ins Spiel: Ein Ermittler wollte noch einmal zum Tatort schauen und entdeckte dabei den mutmaßlichen Angreifer von den Überwachungsbildern. J. wurde festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
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Er stammt aus Litauen, war als Stuckateur und Tischler tätig. Sein Anwalt sprach von einem vielseitigen Handwerker. Er sei aus Westdeutschland auf der Durchreise in Berlin gewesen. „Dann waren Koffer und Rucksack weg.“ Mittellos habe er auf der Straße gelebt. Es habe Hinweise von anderen Obdachlosen auf den 48-Jährigen als Dieb gegeben. J. habe den Mann zur Rede stellen, aber nicht töten wollen.
Die Anklage war von Mord ausgegangen. Auf Totschlag entschied das Gericht. Bereits etwa zehn Minuten vor den tödlichen Tritten war es zu einer Begegnung von J. und dem späteren Opfer gekommen. Da habe der 48-Jährige „schnell reagiert, ein Messer gezogen und J. bedroht“. Evaldas J. habe sich auch nicht angeschlichen. Normal habe er sich dem 48-Jährigen genähert, ein weiterer Obdachloser habe ihn gesehen.
Täter und Opfer waren alkoholisiert. J. habe sich in einer schwierigen Situation befunden. „Er war überfordert von Obdachlosigkeit“, so das Gericht. Er sei überzeugt gewesen, dass ihn der 48-Jährige, wohl ein Usbeke, bestohlen hatte. J. hatte in seinem Geständnis erklärt, er habe ihn mehrmals zuvor angesprochen – allerdings vergeblich. Als er den Tatort verlassen habe, sei er überzeugt gewesen, dass der Mann noch lebe.
Die Staatsanwaltschaft forderte eine lebenslange Haftstrafe wegen heimtückischen Mordes. Der Verteidiger plädierte auf einen Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge, stellte aber keinen konkreten Antrag. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.