Die Umbrüche sind geradezu epochal. Was Donald Trump als US-Präsident macht, führt in vielerlei Hinsicht zu einer massiven Veränderung der wirtschaftlichen, geopolitischen und nun auch wissenschaftlichen Weltordnung. Ja, doch, Weltordnung.
Aber alles das, was uns gerade verunsichert, fordert uns zugleich heraus, eine Chance darin zu suchen. Nicht zuletzt hierzulande, nicht zuallerletzt in Berlin.
Nehmen wir als jüngstes Beispiel die Wissenschaft. Dass Trump jetzt der weltweiten US-Eliteuniversität schlechthin, der Harvard University, massiv Mittel einfriert, zeigt, wie weitgehend er ideologisch Einfluss nehmen will. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studentinnen und Studenten, Professorinnen und Professoren in den USA fürchten um ihre Freiheit in der wissenschaftlichen Arbeit.
Was schrecklich klingt, ist es auch. Aber es bietet zugleich Europa und mitten in Europa Berlin die große Möglichkeit, zur besseren Alternative zu werden. Wenn sich das Klima für Wissenschaft und Forschung in den USA doch so ändert, dann können die, die anderswo die nötige Liberalität und Offenheit bieten, profitieren.

Christian Tretbar Seit 2004 ist Christian Tretbar beim Tagesspiegel. Erst als Reporter für den Sport, dann als Volontär. Anschließend hat er im Parlamentsbüro über innenpolitische Themen berichtet. Seit vielen Jahren kümmert er sich um die Digitalisierung des Tagesspiegels zunächst als Chefredakteur Online und Mitglied der Chefredaktion. Seit 2021 ist er Chefredakteur des Tagesspiegels.
Und da zeigt sich: Europa ist für viele Akademikerinnen und Akademiker in den USA ein Sehnsuchtsort. Hier können sie ihre Arbeit weitgehend frei von politischem Einfluss ausüben.
Ganz vorn dabei: Berlin. Eine derartige Diversität können nur wenige auf der Welt bieten. Berlin liegt ja nicht nur mitten in Europa, ist das Tor Richtung Ost und West. Berlin hat schon jetzt einen exzellenten Ruf als Wissenschaftsstandort. Viele Forschungseinrichtungen sind längst international unterwegs und vernetzt.
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An US-Budgets kommt Berlin nicht ran, aber es kann mehr tun
Die Stadt der Freiheit als Stadt der Wissenschaftsfreiheit – das kann eine Sogwirkung entfalten. Allerdings wird das nicht von allein geschehen. Berlin muss etwas (mehr) dafür tun, dass es diese Chance auch ergreifen kann.
Es fängt – logisch – beim Geld an. An die Budgets in den USA kommt Deutschland nicht heran. Zum Vergleich: Berlins Hochschulen geben rund vier Milliarden Euro im Jahr aus, Harvard allein kommt auf etwa 5,7 Milliarden Euro. In ganz Deutschland gibt der Bund rund 130 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung aus. In den USA sind es mehr als 780 Milliarden Euro.
Das wird kaum aufzuholen sein. Aber Berlin muss dennoch glaubhaft vermitteln, Forschung und Wissenschaft zu fördern, Hürden abzubauen. Dazu gehört: US-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten nicht an der Stadt und ihrer sehr eigenen Bürokratie verzweifeln. Außerdem muss die Hauptstadt den Bund entschlossen zu mehr Engagement für die Internationalität der Wissenschaft drängen. Jetzt ist es an der Zeit, Forschungsbarrieren zu reduzieren.
Ein neues Narrativ für Berlin
Wenn es Berlin dann noch schafft, den Gedanken der (Wissenschafts-)Freiheit mit dem der Sicherheit zu kombinieren, dann bekommt die Stadt ein weltweit beachtetes Narrativ: Freiheit in Sicherheit.
Was zum zweiten Beispiel führt, wie die deutsche Hauptstadt von Trump profitieren kann: zur Sicherheitspolitik. Wissenschaft kann auch in dieser Hinsicht eine transatlantische Brücke sein; gerade, weil Deutschland und Europa mehr für die eigene Sicherheit tun müssen, sie sich auf den Schutzschirm Amerika nicht mehr verlassen können. In den kommenden Jahren wird darum massiv in Verteidigung investiert – dabei geht es nicht mehr nur um Panzer, sondern um sehr viel Hightech und Cyberabwehr.
Genau hier liegt wieder eine Chance für Berlin.
Berlins Start-up-Szene gehört zu den besten und größten Deutschlands und Europas. Bei Deep-Tech und Digitalisierung hat sich viel Knowhow gesammelt. Besonders im wissenschaftsgetriebenen Start-up-Bereich kann sich schnell sehr viel entwickeln – wenn die Rahmenbedingungen passen.
Dazu zählt, anders als in den USA unter Trump, ideologische Offenheit und eine starke Vernetzung von Forschung und unternehmerischer Entwicklung. Wie in Berlin.
Nimmt Berlin diese Herausforderung an? Ist es bereit, schnell zu entscheiden? Trumps Irrationalitäten mit rationalem Handeln zu begegnen, wirtschaftlich, politisch – die deutsche Hauptstadt kann mit diesem Selbstverständnis viel gewinnen. In den USA, ja sogar weltweit.
Lesermeinungen zum Artikel
„Gerade, wer als Forschende vor Trump flüchtet, wird sich doch die politischen Verhältnisse in Zielländern sehr genau anschauen. Und Berlin ist bekanntlich keine Insel, sondern liegt in Deutschland - einem Land, in dem die AfD in Umfragen von Rekord zu Rekord eilt und die Brandmauer der CDU immer mehr Risse bekommt.“ Diskutieren Sie mit Community-Mitglied DaW